Zwischen den Regalen & what we can’t contain markiert den Höhepunkt eines achtmonatigen künstlerischen Forschungsprojektes in Weikendorf, das von zwölf Studierenden der Klasse für ortsbezogene Kunstim Rahmen der von Katrin Hornek geleiteten Lehrveranstaltung„Thinking with and learning from Weikendorf I+II“ an der Universität für angewandte Kunst Wien durchgeführt wurde. Die Ausstellung beschäftigt sich damit, was es bedeutet, ortsbezogen zu arbeiten und setzt sich dabei nicht nur mit dem Kunstraum oder der für Weikendorf charakteristischen Landschaft und Architektur auseinander, sondern auch mit den Geschichten, die von der lokalen Bevölkerung erzählt werden oder die materiell in die gefundenen Objekte eingeschrieben sind. Zu Beginn des Prozesses konzentrierten sich die Studierenden auf Weikendorfs Lage im Marchfeld, eine der führenden landwirtschaftlichen Regionen Österreichs, die oft auch als die „Korn- und Gemüsekammer“ des Landes bezeichnet wird. Die Speisekammer, sowohl in konzeptueller als auch formaler Hinsicht, war der Ausgangspunkt einer kollektiven Auseinandersetzung mit dem Thema Essen und den Praktiken, die im weiteren Sinne mit seiner Herstellung, Konservierung und Verteilung verknüpft sind. In der Klasse für Ortsbezogene Kunst gibt es zum Beispiel das für die Pflege des Gemeinschaftsgefühls zentrale Ritual, vor den wöchentlichen Unterrichtsstunden gemeinsam zu Kochen und zu Essen. Auf der Basis dieser gemeinsamen Perspektive entwickelten die Studierenden eine Reihe von individuellen Projekten, die auf verschiedene lokale Gegebenheiten reagieren: eine eingestürzte Scheune, ein örtliches Denkmal, ein gefundenes Buch, aussortierte landwirtschaftliche Gerätschaften, geschlossene Getreidesilos, Erdproben und Gespräche mit der Einwohnerschaft und Saisonarbeitskräften. Die in der Ausstellung versammelten Arbeiten, setzen sich mit den Themen Aufbewahrung und Konservierung auseinander und hinterfragen, wie wir sowohl Essen als auch kollektive Geschichte(n) bewahren können. Sie laden die Öffentlichkeit ein, über die historischen Veränderungen und gegenwärtigen Realitäten der Haus- und Feldarbeit nachzudenken.
Das gemeinschaftlich entworfene Herzstück der Ausstellung, Zwei Regale, stellt sowohl eine Ausstellungsarchitektur dar, auf der die einzelnen Projekte präsentiert werden, als auch eine eigenständige Skulptur. Auf diese Weise verschwimmt die Unterscheidung zwischen Display und darin Ausgestelltem, zwischen dem Behältnis und Inhalt. Das Holz für die Regale stammt aus der ehemaligen Scheune der Familie Böhm, die nach dem starken Regen im Herbst 2024 einstürzte. Zu diesem Zeitpunkt war die Scheune bereits nicht mehr in Gebrauch und durch eine neue ersetzt worden, die gebaut wurde, um größere Maschinen für die industrielle Landwirtschaft zu beherbergen. Das verwitterte Holz, an verschiedenen Stellen mit den Einritzungen von früheren Landarbeiterinnen und Landarbeitern verziert, stellt ein materielles Zeugnis der örtlichen Geschichte dar. Die Größe der Regale reflektiert hingegen gleich mehrere Maßstabsverschiebungen in unserer Beziehung zum Essen: von der häuslichen Vorratskammer zur industriellen Lagerhalle, von lokalen zu globalen Versorgungsketten. Die Ausstellung verwendet die Speisekammer aber nicht als einen privaten, geschlossenen Raum, sondern als Behältnis für eine Gemeinschaft: einen Raum für Begegnungen, Austausch und gemeinsames Nachdenken.
Die Speisekammer wird auch während der Ausstellung aktiviert werden. Am 13. Juni veranstalten die Studierenden eine „Inventour“: ein gemeinsamer Ausflug in die Nähe der Weikendorfer Remise, um Wildkräuter und Nüsse zu sammeln, aus denen sie dann lokale Liköre und Kräutertees herstellen. Die auf diese Weise befüllten Gefäße werden während der Dauer der Ausstellung reifen und ihr Inhalt kann bei der Finissage verkostet werden.
Text: Johanna Thorell
Das Projekt entstand durch eine Kooperation zwischen der Abteilung Ortsbezogene Kunst / Universität für angewandte Kunst und Kunst im öffentlichen Raum – KOERNOE / Kunstraum Weikendorf
English version
Zwischen den Regalen & what we can’t contain marks the culmination of an eight-month artistic research project in Weikendorf, carried out by twelve students from the department for Site-Specific Art as part of the course “Thinking with and learning from Weikendorf I+II,” led by Katrin Hornek at the University of Applied Arts Vienna. The exhibition explores what it means to work site-specifically, engaging not only with the Kunstraum and the landscapes and architectures that characterize Weikendorf, but also with the histories told by its residents or those materially embedded in found objects. Early in the process, the students focused on Weikendorf’s location in the Marchfeld, one of Austria’s foremost agricultural regions that is often referred to as the Korn- und Gemüsekammer (grain and vegetable pantry) of the country. The pantry, as both a conceptual and formal device, became a starting point for a collective inquiry into food and the broader practices of its production, preservation, and distribution. Within the Abteilung für ortsbezogene Kunst (Department of Site-Specific Art), the ritual of cooking and eating together before weekly class meetings plays a central role in cultivating a sense of community. Through this shared lens, the students developed a series of individual projects that respond to diverse local references: a collapsed barn, a local monument, a found book, disused agricultural tools, closed grain silos, soil samples, and conversations with residents and seasonal workers. The works gathered in the exhibition explore themes of containing and conserving, and interrogate how we preserve both food and shared histories. They invite the public to reflect on the historical transformations and present realities of household labor and work in the field.
The collectively conceived centerpiece of the exhibition, Zwei Regale (Two Shelves), is as much a display for the individual projects as it is a sculpture in its own right, blurring the distinction between display and displayed, between container and contained. The shelves were constructed from wood salvaged from the former Böhm family barn, which collapsed after absorbing too much water during the heavy rains in the fall of 2024. At that time, the barn had already become obsolete and been replaced by a newer barn built to accommodate larger, industrial agricultural machinery. The weathered wood, adorned with occasional marks carved by past agricultural workers, offers a material testimony to local history. The size of the shelves, in turn, reflects multiple shifts of scale in our relation to food—from the household pantry to the industrial storage warehouse, from local to global supply chains. The exhibition reimagines the pantry not as a private, enclosed space, but as a container for community: a place for encounters, discussions, and shared reflection.
The pantry will also be activated during the exhibition. On June 13, the students will host an “Inventour,” a collective herb- and nut-gathering event near the nature reserve Weikendorfer Remise to produce local liqueurs and herbal teas. The filled containers will mature over the course of the exhibition, and their contents can be tasted at the exhibition’s closing.
Text: Johanna Thorell
The exhibition is a cooperation between the department of Site-Specific Art / University of Applied Arts and Kunst im Öffentlichen Raum – KOERNOE / Kunstraum Weikendorf.